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Sie nahmen mir die Freiheit – Geständnisse einer Illegalen
Nr. 14: Juli 2006 >>zurück zur Übersicht?

„Blickt nicht zurück, blickt nach vorn. Dann können wir es gemeinsam schaffen, die Vergangenheit zu besiegen.“

Diese Botschaft sendet Maria Moreno ihren Kindern, denen sie ihr Buch gewidmet hat. Und es ist diese Lebenskraft, die man braucht, um in der Illegalität zu überleben und die sich durch die wahre Geschichte ihres Buches durchzieht.

Geschrieben hat es der ZDF-Journalist Steffen Bayer nach den Interviews mit einer Frau ohne Papiere. Ihren richtigen Namen kann Moreno nicht nennen, da sie sechs Jahre „illegal“ in Deutschland gelebt hat. Schuldlos inhaftiert, erfuhr sie in Südamerika die Willkür des korrupten Polizeiapparates und musste schließlich damit rechnen, nicht nur selbst wieder ins Gefängnis zu kommen sondern auch ihre Verwandten zu gefährden. Zwischen Gefängnis, Flucht, Einreise, Ankunft, Jobsuche, Geldsparen und den weiteren Herausforderungen ihrer Biographie erzählt Morena lebendig von ihren Gedanken, Alpträumen, Hoffnungen, Ängsten und Eindrücken, so dass der Leser automatisch in einen Perspektivenwechsel gezogen wird. Besonders die Zermürbung zwischen harten Arbeitsbedingungen und der Angst vor der Entdeckung kommt gut zum Ausdruck. „Nur nicht auffallen, um keinen Preis!“, heißt Morenas Devise in ihrem Schattenleben. Die Deutschen wollen sie zwar nicht, lassen sich aber gerne für fünf Euro die Stunde ihre Mittelschichtshäuser putzen.

In den ersten Monaten schuftete sie bis zur Erschöpfung, um wenige Euro für das Flugticket ihrer Kinder zur Seite zu legen, die sie in ihrer Heimat zurücklassen musste. Anfangs wohnte sie in einem unbeheiztem Kellerloch und musste dem Vermieter eine horrende Summe zahlen, damit er sie nicht an die Behörden verriet.

Mit den Kindern kommen schließlich auch die Pflichten als Mutter und der Wunsch, wenigstens einen halben Tag in der Woche eine schöne Zeit gemeinsam zu verbringen. Aber wie findet man eine Schule für Kinder, die es offiziell nicht geben darf? Welcher Arzt behandelt ohne Versichertenkarte? Auch ihren Kindern bringt sie die Überlebensregeln der Illegalität bei. Sie wussten, wenn ein Polizeiauto vor der Tür des Mietshauses stand, hieß das „unauffällig weitergehen“.

Langsam lernte Morena aber auch, dass man sich manchen Deutschen anvertrauen konnte, etwa um einen Kindergartenplatz zu bekommen. Moreno erzählt auch von netten deutschen Frauen, deren Böden sie geschrubbt hat, um dann beim anschließenden Rhabarberkuchen, zu dem sie eingeladen war, erst die wirkliche Tortur zu erleben: "Rhabarberkuchen schmeckt wie Elektrizität in Kuchenform", schreibt sie, die offensichtlich über die holprigen Wege, auf die das Schicksal sie geführt hat, noch lachen kann.

Lebendig werden die harten Ecken und Kanten des Lebens mit Kindern in der Illegalität erzählt. Die Flucht vor Kontrollen, die Suche nach einem Ehepartner in der Disco oder über Anzeigen und schließlich eine vorsichtige Partnerschaft. All dies liest sich flüssig und fesselnd, so dass die fast 400 Seiten schnell in einer Nacht durchgelesen werden können.

Maria Moreno/Steffen Bayer,
Sie nahmen mir die Freiheit, Geständnisse einer Illegalen,
Droemer Verlag, München 2005, 19,90 Euro.


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