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»Ohne Geld, in Moskau du bist nichts«
Nr. 10: Juli 2004 >>zurück zur Übersicht?

In unserem letzten Rundbrief starteten wir einen Spendenaufruf, um A. nach seiner Abschiebung den Neuanfang in Russland zu erleichtern. Wir möchten uns für die Spenden bedanken und euch hier Alexejs Antwort weiterleiten:

Hallo Grenzübertritte,
Grüße aus Russland von Alexej. Zuerst Entschuldigung für meine Fehler in Deutsch, sprechen für mich ist einfacher. Ich habe lange Zeit nicht geschrieben, weil: 1. Finden hier einen Computer ist nicht einfach. Richtig, Moskau ist sehr große Stadt, aber es gibt so »Russische Spezialitäten«. Jetzt ich bin in St. Petersburg. 2. Sonntag, 19. Februar, letzte Surprise in Schönefeld: Grenzpolizei hat bei mir etwa 1g Gras gefunden (ich wollte in Moskau einen rauchen). Gute Arbeit! Mit zwei russischen Polizisten bin ich nach Moskau geflogen ­ ohne Gras, natürlich. 3. Guten Tag, Moskau! Hatte ich eine fette Telefonkarte gekauft für 10$. Als ich nach Moskau gekommen bin, diese Karte war ungültig, musste ich neue Karte besorgen. Das war erste Überraschung in Russland. Kleinigkeiten, aber schon etwas. 19. Februar in Moskau war -17°C. Sehr viel Schnee und Eis. Autos fahren wie verrückt, keine Problem für sie. Erste Tag habe ich keine Freunde gefunden, meine Musik-connections sind in andere Städte, alle arbeiten, alle machen Geld. Ohne Geld, in Moskau du bist nichts. Aber, denke ich, das ist nicht zu schlecht ­ eine Stimulanz. Mein Weg: erste Nacht in billigstem Hotel schlafen. Draußen war ­20°C. Zweiter Tag in Moskau habe ich mehr Glück: ich habe mein Onkel gefunden. In Altstadt gibts sehr schöne alte Kirche und alte Gebäude. Neue Häuser auch, sehr moderne Architektur. Alles verdammt teurer: ein Zimmer, nicht in City, kostet wenigstens 150$ monatlich. Einzimmerwohnung 300 - 500$. Moskau zu teurer. In Moskau ich war 5 Tage. Geld habe ich auch gekriegt ­ vielen Dank. Das ist richtig gute Hilfe für erste Zeit. Viele Sachen muss ich klarmachen: Zug Moskau - St. Petersburg: 20 $. Neue Anmeldung habe ich noch nicht bis jetzt. Sie, Bullen, haben viele Fragen. Ich war zu lang im Ausland, bald 14 Jahre. Habe ich 100$ für Anmeldung, Strafe und neu russische Pass schon bezahlt und das kostet noch mehr. Ich weiß noch nicht, wie lange dauert, aber ohne Arbeit hier keine Chance. Noch kann ich nicht arbeiten ohne richtige Papiere. Bürokratie hier auch wie in Deutschland. Noch schlimmer manchmal. Erster Tag in St. Petersburg war ich in der Kirche und habe ich mit Vater gesprochen über meine Seelenprobleme. Das ist natürlich sehr schwer nach 13,5 Jahre Ausland nach Hause zu kommen, nicht als Tourist, aber als russische Mensch. Aber Gott hilft mir. In St. Petersburg viel weniger Polizei in U-Bahn und auf der Straße. Ich bin bis jetzt noch nicht kontrolliert worden. In Arbeitslagern und Knast von St.Peter: Hungertstreik ­ über 4 000 Menschen. Nur ganz bisschen Info, in Zeitungen und Fernsehe fast alles Lüge. Für Journalisten bis jetzt diese Info ist zu. Und große Bosse haben gesagt: »Alles schon in Ordnung, das war nur ein Tag.« Objektiv ist keine Info. Ich weiß, wie das läuft in russische Gefängnis: ein Knacki ist kein Mensch und leben kostet nichts, Polizei schlagen Menschen, kein Essen. Bei uns gibts auch keine AI und andere Menschenrechtsorganisationen. Wollte ich auch sagen, dass große Politik hier hat richtig rote-braun Farbe, was unmöglich für deine Land ist, aber in Russland Ultra-rechte und Ultra-linke zusammen. Wohne ich bei mein Vater noch, aber das ist eine sehr kleine Wohnung, wo habeich keine Ruhe und keine eigene Ecke. Natürlich, wenn habe ich Geld, Arbeit, ich miete meine eigene Zimmer. Im St. Peter nicht so teuer wie im Moskau. Ein Zimmer 100$, Einzimmerwohnung 200-300$. Preise sehr unterschiedlich: zum Beispiel mein Vater mit Frau kriegen Rente 130$ und bezahlen für Zweizimmerwohnung mit Telefon nur 30$, aber sie haben private Wohnung. Ich wohne noch hier, aber muss ich suchen mein eigenen Platz.

Mit freundliche Grüße, A. 5.03.04 St.Petersburg.

Anruf von A. am 23.6.04: A. ist zwar angemeldet, hat aber immer noch keinen Inlandspass bekommen; bisher als DJ und Bauarbeiter gejobbt: in die Disco kamen kaum Leute, da es zu kalt war, auf dem Bau wurde ihm der Lohn nicht ausbezahlt; wohnt abwechselnd bei Freunden. “Ich verliere langsam meinen Optimismus...”
 

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