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Schutz vor Ausbeutung für Papierlose?
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18: August 2009 >>zurück zur
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unbemerkt von der Öffentlichkeit verabschiedeten der Rat und das
Parlament der Europäischen Union die,“Richtlinie des Europäischen
Parlaments und des Rates über Mindeststandards für Sanktionen gegen
Personen, die Drittstaatsangehörige ohne legalen Aufenthalt
beschäftigen“. Sie trat am 24. Februar 2009 in Kraft. Sowohl von der
tageszeitung als auch der Süddeutschen Zeitung wurde sie als wichtiger
Schritt im Kampf gegen die Ausbeutung von Papierlosen gewertet. Auf der
anderen Seite bringt sie eine weitere Einschränkung der Arbeitschancen
von Menschen ohne Papiere in Europa mit sich, ohne Lösungen für die
politische Frage aufzuzeigen, wie die große Zahl der betroffenen
Menschen gerechte Lebensmöglichkeiten erhalten kann.
Art.
1
der Richtlinie nennt ihren Zweck: die „Bekämpfung der illegalen
Einwanderung“ und weist darauf hin, dass ihre Verfasser vor allem darin
einen wichtigen Anreiz zur „illegalen“ Einwanderung sehen, dass auch
Papierlose in den Staaten der EU eine Beschäftigung finden können
(Begründung Abs. 2).
Mit ihrem Verbot,
Drittstaatsangehörige
ohne legalen Aufenthalt zu beschäftigen (Art. 1), einer Auflistung von
Pflichten und möglichen Sanktionen und der Einführung neuer
Straftatbestände ist die Richtlinie vor allem an Arbeitgeber gerichtet.
Die
Arbeitgeber werden verpflichtet, sich vor Beginn einer Beschäftigung
von Drittstaatsangehörigen eine gültige Aufenthaltserlaubnis vorlegen
zu lassen und eine Kopie oder Aufzeichnungen über deren Inhalt für die
Dauer der Beschäftigung aufzubewahren. Außerdem werden sie
verpflichtet, sogar jeden Beginn einer Beschäftigung von
Drittstaatsangehörigen ohne dauerhaften Aufenthaltstitel einer
zuständigen Behörde zu melden.
Folgen die
Arbeitgeber diesen
Pflichten nicht oder stellen gar einen oder mehrere
Drittstaatsangehörige ohne legalen Aufenthalt ein, so haben sie mit
einer Vielzahl von Sanktionen zu rechnen. Sie haben die
Rückführungskosten ihrer illegal Angestellten zu bezahlen (Art. 5) und
müssen ihnen auch nach ihrer Rückführung noch die ihnen zustehenden
Vergütungen nach Tarif oder Mindestlohn nachzahlen (Art. 6). Hinzu
kommen Geldbußen, Steuern und Sozialversicherungsleistungen, für deren
Berechnung eine tarifliche Entlohnung und mindestens dreimonatige
Beschäftigungsdauer angenommen werden (Art. 6). Schwerer wiegt
vermutlich aber, dass sie als Unternehmer von öffentlichen
Vergabeverfahren und Subventionen bis zu fünf Jahre lang ausgeschlossen
werden können und damit rechnen müssen, alle Zuwendungen, Hilfen und
Subventionen der letzten 12 Monate vor Feststellung der illegalen
Beschäftigung zurückzahlen zu müssen. Sogar Betriebsstättenschließungen
und Lizenzentzüge werden angedroht (Art. 7).
Als
Straftatbestände gelten alsbald: die andauernde und kontinuierliche
Zuwiderhandlung gegen das Beschäftigungsverbot, eine größere Anzahl
solcher Zuwiderhandlungen zur gleichen Zeit, besonders ausbeuterische
Arbeitsverhältnisse, die Beschäftigung von Minderjährigen und auch die
Anstiftung, Begünstigung oder Beihilfe zu solchen Handlungen (Art. 9).
Die
Beschwerde über Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne legalen
Aufenthalt beschäftigen, soll allerdings erleichtert werden.
Gewerkschafter, NGO‘s und Vertrauenspersonen der Papierlosen sollen
sich fortan nicht mehr der „Beihilfe zum illegalen Aufenthalt“ strafbar
machen, wenn sie sie bei ihrer Beschwerdeführung unterstützen (Art. 13).
Die
Idee, die dieser Richtlinie zu Grunde liegt, ist schon alt. Sie ist
erprobt und lässt erahnen, in welche Richtung sich die europäische
Zuwanderungspolitik entwickeln wird. Schon in der Diskussion um eine
Verschärfung des Asylrechts Anfang der 90‘er Jahre gehörte es zu den
Hauptargumenten der Befürworter von Verschärfungen, dass aufgrund
schlechterer Lebensbedingungen für Asylbewerber auch die Zahl der
Asylbewerber zurückgehen werde. Dem war dann auch so, auch wenn
aufgrund der Asylrechtsverschärfungen der Umfang der undokumentierten
Migration deutlich zugenommen hat und diese zusammen mit der legalen
Migration vermutlich einen ähnlichen Umfang hat wie die legale
Zuwanderung vor der Verschärfung des Asylrechts.
Zu
erwarten
sind jedenfalls folgende Auswirkungen der EU-Richtlinie: die
Arbeitgeber werden in ihrem Umgang mit Papierlosen vorsichtiger werden.
Sie werden zum Großteil ganz aufhören, Papierlose zu beschäftigen oder
aber versuchen Ihr gewachsenes Risiko durch Gewinnsteigerungen
auszugleichen. Es wird also zu Lohnsenkungen und
Arbeitszeitverlängerungen für Papierlose kommen.
Die
Papierlosen, die bereits in der Europäischen Union leben, werden kaum
anders können, als die Jobangebote zu den noch unattraktiveren
Bedingungen anzunehmen. Als gescheiterte Rückkehrer würden sie in ihrer
Heimat oft nicht mehr anerkannt werden und kaum eine Möglichkeit
finden, sich und ihre Familie zu ernähren oder gar
Entwicklungsmöglichkeiten für sich und ihre Angehörigen zu erschließen.
Außerdem stehen ihnen als Papierlosen auch nicht so ohne weiteres die
Möglichkeiten einer Weiterreise oder Eheschließung offen.
Wie
sich die EU-Richtlinie auf die potentiellen Zuwanderer in ihren
Heimatländern auswirken wird, ist schwerer abzusehen. Gewiss ist nur,
dass die Gründe, die bisher die Menschen bewogen haben, auch unter
gefährlichsten Bedingungen nach Europa zu kommen, aufgrund dieser
Richtlinie nicht wegfallen werden. Vielleicht werden sie von vornherein
versuchen, in ein nichteuropäisches Land zu migrieren. Vielleicht
kommen sie aber doch noch nach Europa und werden noch verletzbarer sein
als bisher. >>zurück zur
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