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Buchbesprechung
Noah Sow »Deutschland Schwarz Weiß. Der alltäglich Rassismus«

Nr. 17: November 2008 >>zurück zur Übersicht?

Rassismus zu bekämpfen heißt zuerst einmal, ihn zu verstehen und bei sich selbst zu entdecken. Dabei will die Musikerin und Moderatorin Noah Sow ihre weißen Leserinnen und Leser in ihrem neuesten Buch „DEUTSCHLAND SCHWARZ WEISS“ unterstützen. Zum einen ist es die Wut über deutschen Rassismus, die die Schreiberin antreibt. Andererseits kritisiert die schwarze deutsche Autorin mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen den bürgerlichen, vermeintlich ausländerfreundlichen deutschen Normalismus, den sie Rassismus nennt. Auf den ersten Blick gibt sich dieser Normalismus liberal, tatsächlich hat er aber nichts mit den rassistischen Erfahrungen von Schwarzen zu tun. „Rassismus gibt es, wenn man deutschen Medien Glauben schenken mag, immer nur anderswo: In Südafrika, in den USA, in Frankreich. In Deutschland gibt es keinen ‚Rassismus’, unter anderem, weil Deutsche ja alle weiß sind. Schön praktisch, aber gelogen.“

Für bürgerliche weiße Deutsche ist das Buch nicht einfach nur interessant oder lehrreich, sondern es ist unbequem, provozierend, aufdeckend und stimmt manchmal sehr nachdenklich. Peinlich ist es, macht uns Sow bewusst, zu jener weißen rassistischen Mehrheit zu gehören. Indem Noah Sow über Seiten hinweg gerade über „normale“ weiße Deutsche schreibt, zeigt sie den Lesern, was es heißt, objektiviert zu werden. Noah Sow erklärt dabei sehr genau, was normierende Begriffe heraufbeschwören, die von einer weißen Normalität ausgehen. Sie deckt koloniale Traditionen und Denkstrukturen auf und verweist auf untergründige rassistische Normierungen, zum Beispiel durch das Kinderspiel „Wer hat Angst vorm schwarzen Mann“. Jeder kennt schließlich auch das Lied „Zehn kleine Negerlein“. Noah Sow geht es um eine reflektierte Wortwahl, wie Schwarze und Weiße bezeichnet werden sollten. Als schwarze Autorin öffnet sie den Blick dafür, wie Schwarze in Deutschland behandelt werden. Ihre kritischen Hinweise über Rassismus in Deutschland mögen im Einzelnen harmlos erscheinen, aber in der Summe zeigen sie deutlich, dass Rassismus ein Problem in der Mitte der deutschen Gesellschaft ist - egal ob er sich während der Bahnfahrt oder in den deutschen Medien äußert. Noah Sow ist es mit ihrem Buch erstmals gelungen, die komplexe wissenschaftliche Debatte über „Kritische Weißseinsforschung“ gut lesbar und für jeden verständlich herunterzubrechen.

Was allerdings fehlt, sind die materialistischen Verzahnungen zwischen rassistischen Denkstrukturen und wirtschaftlichen Interessen. Schließlich profitieren viele Branchen und Milieus von der Ausbeutung rassistisch diskriminierter Gruppen. Nicht zufällig sind mehrheitlich Migranten in Ausbeutungsverhältnissen des Bau- und Gaststättengewerbes, der Sexarbeit, in der Reinigung und bei der Pflege vertreten. Diesen materielle Aspekt thematisiert Noah Sow nicht. Ausgesprochen gut sind allerdings ihre praktischen Hinweise am Ende des Buches, wie Rassismus im Alltag entgegen gegangen werden kann. Sollte Ihnen, liebe Leserinnen und Leser dieser Rezension, etwa unwohl bei dem Gedanken sein, zu der weißen bürgerlichen deutschen Zielgruppe des Buches zu gehören – dann sollten Sie das Buch unbedingt lesen.

C. Bertelsmann Verlag, München, Februar 2008
ISBN: 978-3-570-01008-2, 319 Seiten
weitere Informationen unter:
www.deutschlandschwarzweiss.de
www.noahsow.de


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