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»Haus-halt-hilfe – Arbeiten im Fremden Alltag«
Nr. 16: Oktober 2007 >>zurück zur Übersicht?

Dies ist der Titel des Dokumentarfilms, den die Regisseurin Petra Valentin letztes Jahr fertig gestellt hat. Über zwei Jahre hinweg begleitete sie mit der Kamera sechs Frauen und einen Mann, die die gesamte Realität von Haushalts-Dienstleistungen in Deutschland widerspiegeln. Schon ihre Ausgangslage könnte kaum unterschiedlicher sein:

Pia, die selbstbewusste Deutsche, dich sich - als einzige legal - durch

Putzen eigenes Geld hinzuverdient

Ulla, die allein erziehende Mutter, die ihre Kinder nicht mit „normaler“ Erwerbsarbeit vereinbaren kann

Delia, das Au-Pair-Mädchen aus Peru

Margaret aus Polen sowie Maria und Jed aus den Philippinen, die ohne Papiere hier arbeiten, um ihre Familien finanziell unterstützen zu können

Schließlich Alla, eine Seniorin, die ihr Leben lang als Dienstmädchen arbeitete

Es fällt sofort ins Auge, mit welcher Konsequenz sich die Ausgangslage dieser Putzkräfte auf ihre Arbeitsbedingungen niederschlagen. So kann Pia es sich z.B. leisten, ihre Putzstellen sorgfältig auszuwählen: sie arbeitet nicht unter einem Stundenlohn von 12,50 Euro, fordert von ihren Kunden Respekt ein und überlastet sich nicht: „ich würde nie mehr machen als am Tag 3 oder 4 Stunden. Putzen ist echt ne anstrengende Arbeit, wenn man’s richtig macht.“

Das andere Extrem bildet Maria: Sie wohnt und arbeitet seit 13 Jahren bei einer reichen Familie, die sie gegen ein Gehalt von 700 Euro pro Monat 12-15 Stunden pro Tag beansprucht: „Manchmal weine ich nur noch, weil ich Sachen fertigmachen soll, auch wenn ich schon müde bin. Die Kinder haben sich daran gewöhnt, dass ich alles für sie mache. Manchmal, wenn sie etwas holen wollen in ihrer Reichweite, das sie eigentlich selber machen können, sagen sie mir, dass ich das machen muss. Sie lassen alles stehen und liegen.“

Extreme Arbeitszeiten bei geringstem Lohn kennzeichnen generell Stellen, bei denen Haushaltshilfen im selben Haushalt wohnen wie ihre ArbeitgeberInnen. Damit verbundene Probleme wie den Mangel an Privatsphäre, die ständige Verfügbarkeit und die Isolation von der Außenwelt beklagt auch das Au-Pair-Mädchen Delia. Das Mit-Wohnen im Haushalt ist allerdings in Deutschland relativ selten - hier dominiert die stundenweise Beschäftigung in unterschiedlichen Haushalten – betrifft neben Au Pairs besonders Menschen ohne Papiere wie eben Maria: „wegen unserer Situation, der Illegalität, ist es schwer, eine Wohnung zu finden. Die Wohnungen sind auch teuer. Manchmal, wenn ich mir das überlege, sind wir bei den Arbeitgebern im Haus sicherer aufgehoben. Deswegen nehme ich in Kauf, dass ich nur wenig verdiene.“
Gegen Ende des Films zieht Maria schließlich doch um: „Seit mehr als 12 Jahren bin ich hier im Würgegriff. Ich will jetzt Freiheit.“

Jed spricht im Film ein anderes Problem an, das dieser völlig ungeregelte Arbeitsmarkt mit sich bringt: er kommt jedes Mal in einen bedrohlichen finanziellen Engpass, wenn die Familie, für die er arbeitet, in den Urlaub fährt, oder wenn er selbst krank wird: „Wie jede normale Person in Deutschland brauchen auch wir Geld zum Leben“. Lohnfortzahlung im Krankheitsfall sowie Urlaubsgeld werden auf dem Schwarzmarkt in der Regel nicht gezahlt, obwohl Privathaushalte - wie andere Arbeitgeber auch - rechtlich dazu verpflichtet sind. MigrantInnen, die durch ihren illegalen Status erpressbar sind, haben oft wenig Chancen, ihre Rechte durchzusetzen.

Deutlich wird in dem Film auch, wie sehr Hausarbeit Frauenarbeit geblieben ist. Trotz aller gesellschaftlicher Veränderungen in Deutschland: Männer beteiligen sich weiterhin kaum. Nicht Umverteilung der Hausarbeit zwischen den Geschlechtern findet statt, sondern Umverteilung zwischen Frauen. Idealtypisch kann man sagen: Im späten 18. sowie im 19. Jahrhundert schickte es sich für eine Bürgersfrau nicht, so etwas „niedriges“ wie Hausarbeit selbst zu erledigen: Dafür hatte sie Dienstmädchen. Im 20.Jahrhundert dagegen wurden einerseits die Dienstmädchen knapp (sie nahmen lieber neu entstehende Stellen in der Industrie an), andererseits erfolgte eine ideologische Wende. Das Ideal der Nachkriegszeit stellte der in Vollzeit erwerbstätige Ehemann dar, dessen Frau unbezahlt „aus Liebe“ zu Hause die anfallende Arbeit verrichtete und so ihren Mann unterstützte. Die zwischenzeitlich zumindest ideologisch aufgewertete Hausarbeit und Kinderversorgung hat gesellschaftlich erneut stark an Wert verloren. Viele Frauen, die es sich leisten können, schaffen sich nun Entlastung bei der Kombination von Familie, Hausarbeit und Erwerbsarbeit, indem sie eine Haushaltshilfe einstellen. Delia aus Peru betrachtet diese Frauen mit einer Mischung aus Neid und Verwunderung: „Ich denke, die deutschen Frauen haben einen großen Vorteil. Sie haben viele Haushaltshilfen, Au Pairs, die ihnen im Haushalt helfen, bei der Kinderbetreuung. Die Au Pairs bleiben die ganze Zeit zu Hause, deswegen können die Mütter weiterarbeiten, können studieren, haben kein schwieriges Leben. Es ist leicht für sie. Das bedeutet, sie sind emanzipiert.“

Frauen „emanzipieren“ sich also – auf Kosten anderer Frauen. Diese wiederum sind zunehmend Migrantinnen, denn Hausarbeit wird wegen ihrem niedrigen Status, schlechter Bezahlung und mangelnder Aufstiegsmöglichkeiten von Frauen gemieden, die nicht darauf angewiesen sind. Die Forscherin Helma Lutz spitzt dieses Verhältnis folgendermaßen zu: „Es entsteht eine globale Beziehung, die in gewisser Hinsicht die traditionellen Geschlechterbeziehungen widerspiegelt. Die Erste Welt nimmt die Rolle eines traditionellen Mannes in der Familie ein, verwöhnt, anspruchsberechtigt, unfähig zu kochen, zu putzen oder seine Socken zu finden. Arme Länder übernehmen die traditionelle Frauenrolle- geduldig, hegend und pflegend, sich selbst verleugnend“

Während die Einstellung einer Haushaltshilfe deutschen Frauen also die Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern kann, nimmt diese Arbeit ausländischen Haushaltshilfen die Möglichkeit, bei ihrer Familie zu sein. Darunter leiden die interviewten Frauen enorm, wie Maria, die ihre jüngste Tochter im Alter von drei Monaten auf den Philippinen zurückgelassen hat und sie seit 13 Jahren nicht mehr gesehen hat: „Hier auf Kinder aufzupassen, obwohl wir zu Hause eigene Kinder haben, das tut weh“. Anders als Margaret, die ihre Tochter in Polen besuchen und dann legal wieder zurückkehren kann, können Jed und Maria seit 14 bzw. 13 Jahren ihre Familien nicht besuchen: „Wir träumen von einer Legalisierung, damit wir unsere Familien zwischendurch sehen können. Dafür beten wir, dass es hier endlich eine Amnestie gibt, damit Leute wie wir endlich Papiere bekommen.“

Das Thema Legalisierung ist auch für Jed zentral. Trotz der Angst, Perspektivlosigkeit und Demütigung, unter denen Jed als Papierloser leidet, stellt er fest: „Nach 14 Jahren hier in Deutschland fühle ich mich nicht mehr wie ein Fremder hier. Ich bekam ein Verständnis für die deutsche Kultur. Es ist nicht schwer, sich zu integrieren. Aber wenn man zur falschen Zeit am falschen Ort ist, dann passiert es ...“

Während der Dokumentation passiert es tatsächlich, die Regisseurin erhält einen Brief aus den Philippinen: „Es ist nicht so leicht, einen neuen Anfang zu bauen, sogar im Heimatland, wenn man unvorbereitet zurückkommt. Abgeschoben nach 15 Jahren.“

Der Film ist so gut beobachtet und die Personen und Szenen so gut ausgewählt, dass weitere Kommentare von „Experten“ unnötig sind: Im Film kommen ausschließlich die Hausangestellten zu Wort. Ich empfehle ihn wirklich allen, die sich für das Thema interessieren.


Weitere Informationen zu Film und Verleih:
www.haus-halt-hilfe.de

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