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Vergessenes Land: Die Nubaberge im Südsudan
Nr. 10: Juli 2004 >>zurück zur Übersicht?

Die Nuba leben in der südlichen Kordofan-Provinz als sesshafte Bauern. Sie teilen sich in zehn große Volksgruppen, die rund 50 lokale und miteinander vermischte Dialekte sprechen. Sie teilen ihr Land, das eine Fläche von der Größe von Bayern hat, mit arabischstämmigen Volksgruppen wie z.B. den Bagara. Trotz der Tauschwirtschaft zwischen Nuba und Bagara blieben Konflikte etwa um den Zugang zu Brunnen nicht aus. Im 19. Jahrhundert nahmen die Bagara an der Menschenjagd auf die Nuba teil, von einer Einheit der Bevölkerung im Nuba Gebiet konnte also weder aus kultureller noch aus sozialer Sicht jemals die Rede sein. Seit der Unabhängigkeit herrscht eine ungleiche Machtverteilung, denn die politische Macht (regional und zentral) wird in der Regel von Khartum ausgeübt. Vom Bürgerkrieg im Zuge der Unabhängigkeitsverhandlungen blieben die zwischen den Fronten lebenden Nuba verschont ­ bis der Krieg 1983 erneut aufflammte. Im Juli begannen die Gefechte um die Nuba-Berge zwischen den Regierungstruppen und der Sudan People’s Liberation Army (SPLA/M), die auch seit 1987 dort sitzt. Bemerkenswert ist die Intensität eines eigenen Widerstands der Nuba, die seit dem Putsch 1989 zunehmend von Milizen bedrängt werden. 1989 hatte die SPLA/M einen Großteil des Nuba-Gebiets eingenommen. Die sudanesische Regierung rüstete daraufhin die Bagara mit Waffen aus, die sich damit nicht nur im Streit um Wasser gegen die Nuba durchzusetzen wussten. Die Milizen der Bagara brannten Nuba-Dörfer nieder und verjagten die ansässigen Nuba. 1988 hatte der damalige Ministerpräsident Sadiq al-Mahdi die Milizen zur Popular Defence Force (PDF) erklärt, so dass sie seit Juni 1989 offiziell unterstützt und ausgebildet wurden und eine eigene Uniform erhielten. Diesen Milizen schreiben die Menschenrechtsgruppe African Rights und die Exilorganisation NMSA in London die Massaker bei Kadugli, Kamda Lagawa im Oktober 1989 zu. Der am 7. Januar 1992 ausgerufene und am 6. Juni 1997 bestätigte Djihad gilt dem ganzen Süden Sudans und damit auch den Nuba-Bergen. Bei der Vertreibung der Nuba sollen allein zwischen 1992 und 1995 rund 70.000 Menschen gestorben sein. Mindestens 300.000 Nuba dürften in sogenannte Friedensdörfer gebracht worden sein. Seit 1990 sind islamische Organisationen wie der Rote Halbmond, der Islamische Ruf oder die Islamisch-Afrikanische Hilfsorganisation zugelassen. Flüchtlingen, die nicht zum Islam konvertieren wollten, soll Nahrungsmittelhilfe verweigert worden sein. Der Rechtsanwalt Gaspar Biro, der 1993 zum Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen berufen wurde, sprach schon in seinem ersten Bericht im Februar 1994 davon, dass Frauen und Kinder aus politischen Gründen verschleppt wurden. Wenn es Jungen waren wurden sie entweder als Sklaven verkauft oder zu Soldaten ausgebildet und dann in den Krieg geschickt, das heißt, dass Nuba andere Nuba töten mussten. Ein anderes Element der Kriegsstrategie der Regierung in den Nuba-Bergen bestand darin, führende Mitglieder der Opposition zum Schweigen zu bringen. Man kann von einer Vernichtung der Nuba-Führung ab 1990 sprechen. Intellektuelle der Nuba, ehemalige Mitglieder der Sudanesische National Partei (SNP), traditionelle Führer in Gebieten mit vermeintlicher SPLA/M-Anhängerschaft, Staatsbedienstete, Angehörige von Heilberufen, Lehrer und andere wurden ohne Anklage oder Gerichtsverfahren in Haft gehalten und gefoltert. Viele sind hingerichtet worden, andere hat man verschwinden lassen. Es war offensichtlich, dass die sudanesische Regierung versuchte, die Nuba-Führung systematisch auszuschalten. Nach den Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker sollen im Sudan bis 1995 rund 25.000 Frauen und Kinder in die Sklaverei entführt worden sein. Die Vertreibung der Nuba durch Regierungstruppen und Milizen hat wirtschaftliche Hintergründe. Das Land der verschleppten und vertriebenen Nuba wird an Großgrund-besitzer verkauft, die Großfarmen aufbauen wollen. Während den verschiedenen Kriegen, Vertreibungen und der Instabilität wurden die Nuba an der Ausübung ihrer Kulturen behindert. Nachdem die SPLA /M das Nuba-Gebiet erreicht hatte, konnten die Nuba wieder ihre Kulturen leben, ihre traditionelle Namen einnehmen und sogar wieder den Stolz zeigen darauf Nuba zu sein. Während der Kolonialzeit wurden sie aufgrund der sogenannten »Politik der verschlossenen Gebiete« praktisch vom Bildungssystem ausgeschlossen. Unter den nationalen Regierungen wurden sie wiederum aus persönlichen und parteipolitischen Gründen von der Bildung ausgeschlossen. Schon 1947 wurde das Bildungssystem vereinheitlicht, Arabisch wurde Amtssprache. Gleichzeitig wurden in den Schulen die Nationalsprachen verboten. Die kulturelle Vielfalt hätte im Annäherungsprozess zwischen den Sudanesen eigentlich eine besondere Rolle spielen können. Doch die politische Elite hatte von Anfang an die Existenz dieser kulturellen Vielfalt geleugnet und ihren Völker diese Tatsache verschwiegen. Damit haben sie absichtlich Tribalismus, Rassismus und religiösen Fundamentalismus in die Köpfe der Menschen eingepflanzt.  

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