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Bericht über meine Reise in die Demokratische Republik Kongo
Nr. 8: Novenber 2003 >>zurück zur Übersicht?

Die Abschiebungen einiger seit mehr als 10 Jahren in Deutschland lebender Asylbewerber aus der DR Kongo erregten im September diesen Jahres in Berlin und Brandenburg Aufsehen. Dabei wurde bekannt, dass die Bundesrepublik Deutschland sich einerseits an einer militärischen Intervention zur Befriedung des Bürgerkrieges dort beteiligt, andererseits aber auch alle 14 Tage ein Flugzeug chartert, um kongolesische Flüchtlinge von Düsseldorf nach Kinshasa ­ in genau dieses Bürgerkriegsland ­ abzuschieben. Grund genug, meinen wir, den gekürzten Bericht von Afonso Bunga Paulo über seine Reise nach Kinshasa im Frühjahr 2003 abzudrucken.

Ich bin im Auftrag der Afrikanischen Ökumenischen Kirche e.V. nach Kinshasa geflogen, um dort die Situation der Straßenkinder zu erkunden. Bei meiner Ankunft auf dem Flughafen Djili/Kinshasa wurde ich von vier Mitgliedern der dortigen Afrikanischen Ökumenischen Kirche empfangen. Sie hatten im Flughafen einen Polizisten bezahlt, der für meine Sicherheit sorgen sollte. Ohne den Schutz dieses Polizisten hätte ich nicht unbehelligt das Flughafengebäude verlassen können. Während Europäer in Ruhe gelassen werden, werden Personen afrikanischer Herkunft gleich bei der Ankunft »gefilzt«. Kongolesische Staatsangehörige, die sich längere Zeit außerhalb des Kongo aufgehalten haben, werden besonders scharf kontrolliert. Sie werden eingehend befragt. Insbesondere, wenn davon ausgegangen wird, dass es sich um einen ehemaligen Asylsuchenden handelt, der längere Zeit in Europa gelebt und anlässlich seiner Asylantragstellung den Kongo »verraten« hat, wird er nach Makala, einem wegen seiner Grausamkeit und seines schlechten Zustandes berüchtigten Gefängnis gebracht. Für diese Strafmaßnahme gibt es keine Richter. Um diesem Schicksal zu entgehen und ihr Leben zu retten, müssen Rückkehrer viel Geld an die kontrollierenden Grenzbeamten zahlen. Uniformierte Polizisten errichten illegale Straßensperren und lassen Autofahrer und Fußgänger nur gegen Entgelt passieren. Die Polizisten bessern damit ihr Gehalt auf. Als ich dort war, hatten sie seit vier Monaten kein Gehalt (monatlich ca. 10 $) erhalten. Ich habe unglaubliches Elend in Kinshasa gesehen. Ich war nur kurzfristig in Kinshasa und hatte die Sicherheit, den Kongo wieder verlassen zu können. Ich hatte Geld, mit dem ich mir etwas kaufen konnte. Ohne eine Rückkehrmöglichkeit und ohne Geld hätte ich keine Überlebenschance. Da ich seit meinem 15. Lebensjahr in Deutschland lebe, habe ich keine Überlebensstrategien gelernt. Familien und Einzelpersonen, die nach jahrelangem Aufenthalt in Europa in den Kongo zurückkehren, haben keine Überlebensmöglichkeit, wenn sie nicht von »reichen« Angehörigen aufgenommen werden. Hinzu kommt, dass Menschen, die nach Jahren aus Europa in den Kongo zurückkehren, kein intaktes Immunsystem gegen die zahlreichen Krankheiten und Krankheitserreger mehr haben. Deshalb sind Kinder, die in Europa geboren sind, bei ihrer Rückkehr aufs Äußerste gefährdet. Rückkehrer haben keine Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu sichern. Es gibt keine Arbeit und keine Unterkünfte für sie. Sie müssten auf der Straße leben und ihr Überleben durch Prostitution, Betteln und Stehlen sichern. Selbst junge Männer, die aus Europa abgeschoben werden, haben nur zwei Alternativen: Sie werden entweder kriminell oder sie sterben. Fazit meines Besuches in Kinshasa ist, dass kongolesische Staatsangehörige und Kinder, die jahrelang in Europa gelebt haben, durch eine Abschiebung in den nahezu sicheren Tod geschickt werden.
Quelle: http://www.fluechtlingsinfo-berlin.de


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