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Mahnwache vor der Abschiefehaft
Nr. 5: Juni 2002 >>zurück zur Übersicht?

Alle drei Monate findet vor dem Abschiebegewahrsam in Berlin-Köpenick ein Gottesdienst statt, um auf die Situation von Menschen aufmerksam zu machen, die dort bis zu 18 Monate lang eingesperrt sind ­ ohne dass sie eine andere „Straftat“ begangen haben, als die, in Deutschland zu sein, und oft ohne dass eine Abschiebung möglich ist, weil z.B. das Herkunftsland die Flüchtlinge nicht zurücknimmt.

Den folgenden Bericht, der im März während des Gottesdienstes vorgelesen wurde, und die kurze Schilderung, was nach dem Gottesdienst geschah, konnten wir von Christian Herwartz, einem Kreuzberger Jesuiten und Mitinitiator der Mahnwachen, übernehmen: „Am vergangenen Samstag besuchte ich mit zwei Firmlingen und einer Mutter zwei Gefangene in der Abschiebehaft. Zunächst bekamen wir eine Nummer ausgehändigt, wie es im Wartesaal einer Behörde oder eines Arztes üblich ist. Wir saßen also da und warteten. Schon nach kurzer Zeit kamen wir mit unseren Nachbarn, einem etwa 40-jährigen Deutschen, einer französisch sprechenden Frau und einem Afrikaner ins Gespräch. Sie erzählten uns, dass ihr Kindermädchen am Freitag um 7.30 Uhr an der Wohnungstür festgenommen worden war. Es hatte an der Wohnungstür geschellt, das Kindermädchen hatte geöffnet, daraufhin wurde es von der Polizei verhaftet, da ihr Visum abgelaufen war. Die achtjährige Tochter der Familie blieb allein zu Hause. Die betroffene Familie fühlte sich an die Zeit des Nationalsozialismus erinnert, da auch damals Menschen an der Wohnungstür verhaftet und abgeführt worden sind. Sie fragten sich: „Woher wusste die Polizei, dass sich diese Frau in unserem Haus aufhielt? Wer hat es ihr gesagt? Warum geschah die Verhaftung gerade am Wochenende? Wir können keinen Anwalt mehr verständigen, am Montag ist sie vielleicht schon in ihr Heimatland abgeschoben.“ Auch unser Besuch bei Bobby hat viele Fragen offen gelassen. Besonders Bobbys Frage: „Wie ist Deutschland?“ ist mir noch deutlich im Ohr. Bobby war mit dem Schiff nach Deutschland gekommen, und war von dort aus direkt in die Abschiebehaft gekommen. Er hatte noch nichts von Deutschland gesehen. Wie ist Deutschland? Was sollte ich ihm erzählen...“ Nach der Mahnwache konnten einige der Gottesdienstbesucher Gefangene besuchen. Das geschieht meist reibungslos, nimmt aber immer sehr viel Zeit in Anspruch. Die Umstände des Besuchs hinter der Glasscheibe sind erniedrigend. Eine Schalteratmosphäre wie bei der Bank. Bei der Begrüßung und Verabschiedung ist das besonders schmerzhaft. An diesem Tag sind viele, die Besuche machen wollten, unverrichteter Dinge wieder nach Hause gegangen. Ihnen wurde gesagt, dass der Besuchsraum überfüllt sei. Einer von uns konnte sich jedoch von dem Gegenteil überzeugen.

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